Die dies jährige Herbsttagung des Green Food Clusters war ein voller Erfolg. Die anschließende Mitgliederversammlung stellte die Weichen für eine vielversprechende Zukunft. Zunächst begrüßte die scheidende Cluster-Präsidentin Patricia Fehrmann die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tagung, die unter dem Motto „Innovationen in der Lebensmittel-Wirtschaft als Antwort auf globale Herausforderungen“ stattfand und stellte das Programm der Tagung vor.
Anschließend führte Dr. Armin Kullmann, der Aufbau-Manager des Clusters, in dessen Entstehung, Ziele und Aktivitäten ein. „Der Klimawandel läuft nahezu ungebremst weiter, wir gehen in eine 2,5-, 3- oder mehr Grad-Welt und schon jetzt sind die Folgen dramatisch“ so Kullmann zu einem Kernthema der Nachhaltigkeit. „Aber auch die biologische Vielfalt ist bedroht, zum einen durch den Klimawandel, zum anderen vor allem durch die moderne Landwirtschaft. Unsere Ernährung kann nicht so bleiben, wenn die Natur und wir das Überleben wollen“, so Armin Kullmann. In diesen und weiteren Themen der Nachhaltigkeit wie Ressourcenschutz, Tierwohl und Gemeinwohl sieht er die Aufgaben und Ziele des Green Food Clusters und warnte: „Diese sollten wir nie aus den Augen verlieren“.
Im anschließenden Vortrag zeigte Thomas Gutberlet, Geschäftsführer von tegut… Gute Lebensmittel auf, wie sein Unternehmen den genannten Krisen, aber auch Corona, der kriegsbedingten Inflation sowie dem Fachkräfte-Mangel begegnet. „Wir sehen keine Bio-Krise. Wir sehen Verlagerungen von Hochpreis-Marken zu günstigeren Produkten, mengenmäßig haben wir nur geringe Einbußen. Es handelt sich nicht um eine Bio-, sondern um eine Fachhandelskrise“, so Gutberlet, und bezog sich damit auf die stärkeren Bio-Nachfrage-Rückgänge im Naturkostfachhandel und bei Direktvermarktern. „Bio ist nicht tot, im Gegenteil: bio wird weiter wachsen, wir arbeiten weiterhin darauf hin und daran mit“, so Thomas Gutberlet. Auf den Fachkräftemangel, aber auch auf ein verändertes Einkaufsverhalten und Einkaufserwartungen der Kundinnen und Kunden reagierte tegut… mit der erfolgreichen Einführung der dezentralen teo-Märkte, von denen bereits über 20 in Fulda und anderen Städten des tegut…-Gebiets aufgestellt wurden. Insgesamt gewährte Thomas Gutberlet beeindruckende Einblicke in die Strategien des Handelshauses tegut-…, um die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen zu meistern.
Einblicke ganz anderer Art – nämlich in den Kriegsalltag der Menschen und der Bio-Landwirtschaft in der Ukraine – teilte Dr. Stefan Dreesmann den Zuhörerinnen und Zuhörern mit. Dreesmann, der bei der Agriculture & Finance Consulting International (AFCI) in Berlin tätig ist, unterstützt im Auftrag der Bundesregierung die Landwirtschaft, d.h. speziell die Bio-Landwirtschaft in der Ukraine. Er zeigte die dramatischen Spuren und die Folgen des russischen Angriffskriegs, für die Menschen in den Städten wie Kiew ebenso wie in den Dörfern und auf den Höfen, in denen die Folgen umso größer sind, je näher sie der Front liegen: zerstörte Häuser, gestohlene Traktoren, zerbombte Gehöfte, verminte Felder und unterbrochene Absatzwege für die wichtigen Agrarprodukte der Ukraine: Brot- und Futter-Getreide, Ölfrüchte (wie Sonnenblumen) und Leguminosen (wie Erbsen und Ackerbohnen). Mit dem konventionellen Getreide trägt die Ukraine maßgeblich zur Ernährung ertragsschwacher Länder bei. Das Bio-Getreide, aber auch Ölfrüchte und Leguminosen finden ihren Weg weitgehend nach Europa, teilweise auch in die USA, wo sie als Brotgetreide oder wichtige Öl- und Eiweiß-Futtermittel in der ökologischen Tierhaltung eingesetzt werden. Dr. Dreesmann zeigte, wie er und seine Projektpartner:innen in der Ukraine den Widrigkeiten des Krieges trotzen: „Die setzen sich in die Bombenkeller und arbeiten einfach weiter, das ist beeindruckend“, so Dreesmann über die Entschlossenheit der Ukrainer:innen. Er forderte alle Zuhörer:innen auf, einen Beitrag zur Unterstützung der Ukraine zu leisten, insbesondere im Falle der Agrar- und Ernährungswirtschaft: „Kauft ukrainische Produkte! Helft mit, dass die Ukraine diesen Krieg übersteht“ so Dreesmanns Appell an das Publikum.
Und einen weiteren Perspektivenwechsel bot die Cluster-Tagung: die Perspektive des Fuldaer Hanf-Startup „Green Pioneers“ auf deren Kriminalisierung durch die hessische Justiz, sprich die Staatsanwaltschaft Fulda. „Wir haben erfolgreich gegründet und waren voll dabei, mit Kosmetik- und Food-Produkten in den Handel zu starten“, so Philipp Gärtner aus Fulda-Malkes zu seinen Plänen und denen seiner beiden Mitgründer Marc Graf und Kerim „Karl“ Viebrock. „Wir haben erfolgreich Investoren gewonnen, Hersteller gefunden und fanden bereits über 80 Einzelhändler als Vertriebspartner. Darüber hinaus stellten unsere Fuldaer Erzeugerbetriebe auf bio um, ab 2023 sind wir mit allen Produkten bio“, so die Strategie der „Pioniere“, doch es kam anders: Im Frühjahr 2020 stürmten Polizisten das Büro und konfiszierten die gesamten handelsfertigen Waren. Der Verdacht: Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz; die Staatsanwaltschaft erhob sogar Anklage, späte auch gegen die belieferten Einzelhändler. Dabei hatten die Pioneers alles dafür getan, nur Nutzhanf mit einem Gehalt an THC (berauschender Stoff des Marihuana-Hanfs) unterhalb der gesetzlichen Grenzwerte anbauen zu lassen; alle eigenen und unabhängigen Proben hatten dies bestätigt. Es folgten zwei lange Jahre an juristischen Auseinandersetzungen, in denen die Gründer alle Register ziehen mussten, um ihr Startup am Leben zu halten. Mit Erfolg: das Gericht steht wohl kurz davor, die Anklage der Staatsanwaltschaft zurückzuweisen, Schadensersatzansprüche der Green Pioneers in Höhe einer halben Million Euro und mehr stehen im Raum. „Ich hätte nie gedacht, dass wir unserem Namen einmal eine solche Referenz erweisen müssten“, so Philipp Gärtner über den Kampf mit der Justiz, und weiter „Es ist an der Zeit, die Hanf-Industrie zu entkriminalisieren. Die medizinische Zulassung spielt uns dabei in die Hände. Der Staat sollte aufhören, die Nutzung einer Pflanze mit so vielen positiven Eigenschaften zu erschweren“.
Nach zwei Pausen, in denen das Netzwerken bei Antonius-Buffet und Getränken aus Produktion der Cluster-Mitglieder Förstina, Hannheinehof (Wiesenkiez) und Bolds Schnäpse möglich war, beschloss Moderator Kullmann die Tagung und eröffnete gegen 17 Uhr die Mitgliederversammlung des Clusters.